Klotzen, nicht kleckern. Die siebte „Tanzplattform Deutschland“ sucht in Stuttgart die Rekorde

In: tanzjournal 2-06

Katja Schneider

(...) Eine andere (Sternstunde) präsentierte die Plattform gleich zu Beginn mit der ersten von zwei Uraufführungen (was es auch erstmals bei der Plattform gab): Aus dem Gesumm des Foyers und dem Gezwitscher der Begrüßungen führten Christina Ciupke und Nik Haffner in ihrer ersten gemeinsamen Arbeit Subtitles in ein Schlafzimmer, auf den Teppich, zu einer intimen Geschichte. <> sagt er. Fragt mehrmals. <> wird sie später zurückfragen. Die Kommunikation läuft über das Aushandeln, über verschiebungen, Nullpositionen und Verweigerungen, die beide einander annähern lassen. Man sieht einer Liebesgeschichte zu, die zart und dabei sehr klar in der Schwebe bleibt. Auf dem Teppich sozusagen. (...)

 

 

Tanzplattform Deutschland

In: SWR Journal am Mittag vom 25.02.2006

Gabriele Wittmann

An neuen Formen versuchen sich auch der Ex-Forsythe-Tänzer Nik Haffner und die durch ihre Arbeit mit einer Fotografin bekannt gewordene Christina Ciupke. Beide haben lange mit Neuen Medien gearbeitet, nun wollen sie das Verhältnis von Sprache und Tanz ausloten. Auf dem Perserteppich stehen sich beide gegenüber und geben sich gegenseitig Anweisungen. ”kannst du dein rechtes über dein linkes Bein schlagen, und den Kopf in die rechte Hand legen? ” sagt Nik Haffner, und seine Mitspielerin tut, was er sagt. Oder sie tut es nicht. Oder sie tut es anders. Oder später. Ständig entsteht eine Lücke in der Kommunikation, die beiden Performer ausloten. Was passiert eigentlich in der stille? In der zeit dazwischen, in der die Körper auf der Bühne einfach nur DA sind , ohne, dass wir Zuschauer sie dechiffrieren könnten, sie verstehen, sie interpretieren? eine spannende Fragestellung, die sich die beiden vorgenommen haben. Und sie schaffen es auch, dieses körperliche Da-sein aufschimmern zu lassen. Doch ausser minimalen Verschiebungen und Wiederholungen kommen sie mit ihrem Stoff nicht viel weiter, das Stück ”Subtitles” – zu deutsch: Untertitel – wirkt seltsam unfertig.

 

 

Wer will fleißige Handwerker sehen.

In: Süddeutsche Zeitung vom 01.03.06

Eva-Elisabeth Fischer

(...) Bei Christina Ciupkes und Nik Haffners minimalistisch-drögem Exerzitium „Subtitles“ konnte sich tatsächlich jemand an der gelungenen Verkörperung des performativen Sprechaktes delektieren, während einem selbst angesichts des scheußlichen Perserteppichs, auf dem sich diese Darbietung zutrug, ein der Satz durch den Kopf schwirrte: „Die Zweierbeziehung ist ein bürgerliches Wohnzimmer.“

 

 

In: ballet tanz international 04-06

Hartmut Regitz

In der knappen Stunde entwickelt sich eine Beziehung, die ihre sprachliche Begrenztheit überwindet. Christina Ciupke, Choreographin aus Berlin, hat sich noch nie mit einer schieren Selbstverständlichkeit zufrieden gegeben, und der Blick auf den eigenen Körper stellte mehr als die persönliche Wahrnehmung infrage. Auch bei Subtitles, einem choreographischen Dialog mit dem einstigen Forsythe Tänzer Nik Haffner. Als eine der wenigen Uraufführungen bei der Tanzplattform in Stuttgart vorgestellt, scheint sich dabei zunächst ein Solo einfach zu doppeln: Immer wieder knien sie sich in die selbe Startposition, gefallen sich in der Glichheit des gefühls. Doch die Differenz ist nicht aufzuhalten. Je länger das sensorische Spiel der beiden dauert, je mehr sie sprachlich zu verständigen versuchen, desto deutlicher distanzieren sie sich voneinander, selbst wenn sie sich körperlich nahe kommen. <>, heißt es etwa - und von Nik Haffner im Innersten berührt, lässt sich Christina Ciupke beinah ins Bodenlose fallen. Ihr Akt der Hingabe hat gleichzeitig etwas Herausforderndes. Das wortlose Einverständnis des Anfangs weicht mehr und mehr einer Kommunikation, die sich nicht mehr nur auf den Körper verlässt. Missverständnisse, Verweigerungen sind nicht ausgeschlossen, schon gar nicht, wenn sich die beiden ihre Wünsche gegenseitig ins Ohr flüstern und sich so dem Publikum schamhaft entziehen. Das weiß bis zum Ende nicht, wer wen dominiert, und das war mancher Kritikerin zu "dröge".

 

 

Grenztanz

Anmerkungen eines Jurymitglieds zur Auswahl bei der Tanzplattform 2006 in Stuttgart

In: Die Deutsche Bühne Online Schwerpunkt 04-06

Gerald Siegmund

(...) Welche Konzepte von menschlicher Identität entstehen, wenn sich die Form verändert, sie sich hinüber bewegt auf die Felder benachbarter Künste oder sich gar, wie bei Thomas Lehmen (“Lehmen lernt”), Nik Haffner und Christina Ciupke (“Subtitles”) sowie Jochen Roller und Martin Nachbar (“mnemonic nonstop”), aufzulösen scheint im sozialen Handeln?

Dabei steht Zweierlei auf dem Spiel: zum einen die Geschlossenheit der Form, zum anderen der damit verbundene Sinngehalt. Was die Stücke jenseits einer bestimmten Tanztechnik, die es hier nicht gibt, verbindet, ist ihr Bezug zu den Zuschauern. Die Choreographen wollen nicht mehr ab-geschlossene und selbstgenügsame Kunstwerke produzieren, die transzendente Wahrheiten formulieren, sondern sie wollen zusammen mit den Zuschauern aktiv handeln – mit von Stück zu Stück immer wieder anderen Mitteln und Techniken, um so Fragen zu stellen. Identität, so will es scheinen, entsteht überhaupt erst durch Handlung, durch gemeinsames, oft unbemerktes Einüben von Formen, durch Rahmungen und sprachliche Benennungen. (...)

 

 

Entspannte Professionalität. Die 7. Tanzplattform im Theaterhaus Stuttgart.

In: Theater der Zeit April 2006

Constanze Klementz.

(…) Umstritten war im Vorfeld die Entscheidung, Uraufführungen zu zeigen. Soll man Künstler dem Risiko aussetzen, dass sich eine vielleicht noch nicht runde Arbeit unter den verschäften Bedingungen der Plattform auf einen Schlag international unmöglich macht? Die Frage erübrigt sich nicht, aber in Stuttgart konnten beide Premieren mit dem Druck der Situation umgehen. Sie sorgten in der Berlinlastigen und kaum überraschenden Gesamtauswahl für reizvolle Unschärfen. Bei „Subtitles“ von Christina Ciupke und Nik Haffner liegt die Stärke im Understatement. „Kannst du mich anpusten?“, raunt sie ihm zu und eilt ihm, der schon nach hinten kippt, zu Hilfe, so als hätte sie ihn gerade umgeblasen. Sie und er setzen Sprache und Bewegung ins Verhältnis zueinander, jedes Mal als Auslöser, mal als Effekt des jeweils anderen. Sie verlangen einander einfache Handlungen ab, die sie umsetzen und variieren, bis sich die Kausalketten von Bitten, Pusten, Fallen heillos verwirrt. So unscheinbar die Anordnung, so plastisch werden die Akteure Ciupke und Haffner. Ihr behutsamer Schlagabtausch ergibt nicht nur in Hinblick auf Wort und Tanz ein Beziehungsstück.

 

 

leise versponnene Erfüllung

In: Berliner zeitung Novemebr 2006

Michaela Schlagenwerth

Christina Ciupke und Nik Haffner in der Tanzfabrik

”Kannst du die Hände an den Hals legen?”, fragt der Mann. Kannst du mich fragen. kannst du mich anpusten?” Christina Ciupke, die Choreographin filligraner, merkwürdig stillgestellter Tanzstücke, und Nik Haffner, der langjährige Forsythe- Tänzer und Medientheoretiker, empfangen ihr Publikum in der Tanzfabrik ganz entspannt.

Wo sind wir?

Sie sitzen auf Stühlen, zwischen Ihnen ein kleines Tischchen mit zwei Gläsern Wasser, vor ihnen ein grosser, leerer, gemusterter Teppich, an den Seiten zwei Fernseher, auf deren Bildschirmen hin und wieder Langgezogene Sätze über den Ort des Geschehens informieren, über die genaue Position von Stühlen, Kommoden und Fenstern.

Noch fremder und ortloser machen diese Auskünfte das ”Subtitles” benannte Stück, das vom wohl meist bearbeiteten Bühnenthema handelt: Von einem Mann, einer Frau, ihrer Beziehung zueinander. Aber ”Subtitles” – das man ebenso gut unter Schauspiel wie unter Tanz rubrizieren könnte - spielt so rätselhaft versponnen mit dem Sprechen und dem Schweigen, dem leisen Erfüllen und der noch leiseren Verweigerung von Wünschen, dass man meint, so etwas Fremdes und Poetisches noch nie gesehen zu haben. (ms) Berliner Zeitung

 

 

Vermintes Gebiet. Christina Ciupke und Nik Haffner tanzen bürgerliches Wohnzimmer.

In: Süddeutsche Zeitung vom 03.08.2006

Eva Elisabeth-Fischer

Sie tanzen beide, wobei tanzen ja heutzutage ein höchst dehnbarer Begriff ist, ein weites Feld sozusagen. Und sie haben eine Affinität zur Bildenden Kunst. Christina Ciupke, als Choreographin und Tänzerin in Berlin arbeitend, haben es Photographie und Videokunst angetan. Nik Haffner, geboren in Aachen, sechs Jahre in Forsythes Ballett Frankfurt, hat in Gießen Kunstgeschichte studiert. Beide arbeiten im Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM). Da überrascht es nicht, dass sie zu einem gemeinsamen Projekt zusammengefunden haben. Sie nannten es „Instruktionen“, woraus das Stück „Subtitles“ entstand. Ein Beamer projiziert wiederkehrende Satzfragmente, die man tatsächlich als Untertitel lesen könnte. Oder auch nicht.

Ciupke und Haffner befinden sich in einem Raum, der in merkwürdigen Kontrast zum ausführlichen Rest steht: Auf dem Tanzboden liegt ein hässlicher Perserteppich, Übermaß, und markiert ein bürgerliches Wohnzimmer samt Monitor als Fernseherersatz. Christina Ciupke und Nik Hafnner üben darin Kommunikation, bekanntlich speziell in Zweierbeziehungen ein vermintes Gebiet. Hinzu kommt aber noch der forschende Subtext, die Suche nach dem Zusammenhang von Sprache und Bewegung, wofür es den trefflichen Terminus technicus „performativer Sprechakt“ gibt, will heißen: man redet und macht.

Bewegung und Gegenbewegung erschöpfen sich weitgehend im Durchmesser des Raumes über die gesamte Bühnenbreite. Aber darauf kommt es nicht an. Wichtig ist die Wechselwirkung von Sprache und Bewegung. Sie fragt: „Kannst du mich anpusten?“, und er kippt um. Es entsteht Chaos. Die Logik des Ablaufs wird außer Kraft gesetzt. Oder auch nicht. So ist das im bürgerlichen Wohnzimmer von Christina Ciupke und Nik Haffner und ihrer Körperlinguisik.

 

 

„Kannst du mich anpusten?“ Christina Ciupke & Nik Haffner mit “Subtitles” bei der Tanzwerkstatt Europa

In: www.tanznetz.de/ vom 05.08.2006

Katja Schneider

„Kannst du mich anpusten?“ fragt sie ihn. Er pustet, nachdem eine Dame in der ersten Reihe die Frage ins Englische übersetzt hat, und möchte später von seiner Partnerin, dass sie – als Reaktion auf sein Pusten – sagt, ich falle, und fällt. Er fange sie auf, sagt er. Er pustet, sie sagt „Ich falle“ und fällt simultan. Er fängt sie auf.

„Subtitles“, das Gemeinschaftswerk der Berliner Choreographin und Tänzerin Christina Ciupke mit dem Choreographen und langjährigen Forsythe-Tänzer Nik Hafner, kreist um solche Parallelfälle und Verschiebungen sprachlicher und körperlicher Performanz. Naturgemäß wird dabei kleingeklöppelt. Es geht um Nuancen, um die Lücken in dieser Kommunikation, um die Rückkopplungen zwischen Wörtern, Sätzen, Gesten und Bewegungsfolgen. Ciupkes Beharrlichkeit und minutiöse Genauigkeit in ihren bisherigen Licht-Körper-Schatten-Arbeiten prägt unter anderem Vorzeichen auch dieses Duett. Wer untertitelt hier was? Was vermittelt der Untertitel? Was das „Bild“ – zwei einander anscheinend zugetane, aber kaum expressive Mimik zeigende Performer in brauner Kleidung auf beige-braunem Perserteppich? Und wie spielt der Raum in Köln herein, jenes Zimmer, das (als Textband auf dem Monitor) beschrieben wird?

Klare Ansagen, sparsame Bewegungen, Wiederholungen, Abbrüche, Neuanfänge. „Kannst du dir vorstellen, welche Bewegung ich als nächstes mache?“ fragt er. Da beginnt in ihrem Kopf anscheinend ein Film aller Bewegungen, die hier gemacht wurden, abzulaufen, sie spricht und spricht, schreibt ihm zu, den Kopf von ihm abgewandt. Als sie zu ihm schaut, sieht sie, dass er längst still steht. Neben dem spannenden Wort-Bewegungs-Spiel sind es diese zarten, ja zärtlichen Momente, die „Subtitles“ so stark machen.

 

 

Wissen in Bewegung. München: Tanzwerkstatt Europa mit Überraschungen

In: Augsburger Allgemeine vom 05.08.2006

Nora Abdel Rahman

(...) „Subtitles“ von Christina Ciupke und Nik Haffner konnten keinen schöneren Kontrast zur Eröffnung (Frank von Nigel Charnock) bieten. Wohnzimmeratmosphäre herrschte am I-Camp, dem kleineren, intimeren Veranstaltungsort für Tanz in München. Ein Teppich, ein Tisch und zwei Gläser mit Wasser sowie ein Fernseher – das ist die Ausstattung, in der die zwei Tänzer ihre auf einfache Sätze reduzierte Tanzperformance darbot. Wie formt Sprache unsere Körperbewegungen? Wie beeinflussen unsere Bewegungen das gesprochene Wort? Kurze sprachliche Anweisungen wie etwa „Kannst du mit deinen Händen meine Haare berühren“ und der die Bewegungen ausführende Tänzer ergeben eine komplexee Choreographie. Das Stück zerlegt Tanz und Sprache gleichsam in Einzelteile, die gerade durch dieses Verfahren einfache menschliche Handlungsstrukturen offenbaren. Der zeitgenössische Tanz, das zeigen die genannten beiden Stücken, nimmt sich selbst unter die Lupe.

 

 

Fliegende Bonbons und Soccken

Die Tanzwerkstatt Europa eröffnet in münchen mit nigel Charnocks Solo-Perfromance „Frank“.

In: Stuttgarter Zeitung vom 09.08.2006-10-24

Katja Schneider

(...) Jeder Abend bringt eine andere Facette zeitgenössischen Tanzes. Auf die fulminante deutsche Erstaufführung von charnocks 2frank“ folgt im kleinen Theater i-camp das intime Duett „Subtitles“ von Christina Ciupke und Nik Haffner. Die Berliner Choreographin reizte die Wahrnehmung bislang mit ihren subtilen Körper-Licht-Schatten-Skulpturen an der Grenze zur bildenden Kunst. Mit dem ehemaligen Forsythe-Tänzer Haffner untersucht sie nun das Wechselspiel von Bewegung und Sprache. “Kannst du die Hände um deinen Hals legen?“, fragt er sie und betitelt so eine Bewegung, die sie gemacht hat und auf seinen Wunsch hin wiederholt.

„Subtitles“ erlebte wie „lehembnlernt“ von thaoms Lehmen die Uraufführung auf der Stuttagrter tanzplattform im vergangen februar. Nicht nur das Verbindet die beiden Performances, denn über die Sprache legen sich von dort fäden zu anderen Stücken der Tanzwerkstatt Europa. Darüber ergibt sich doch ein Art thematischer Strang – es muss ja nicht immer wie auch bei Lehmen der Kontrast zwischen bewegunsgforman und gesprochener Sprache ein.

 

 

Sprich mit ihr. Christina Ciupke und Nik Haffner eröffnen mit „subtitles“ die Reihe „fabrikationen 06“ in der tanzfabrik

In: Tanzraum

Sandra Luzina

„Noch mal!“ Wenn die ersten Worte fallen, springen wir mitten hinein in eine Geschichte. Ein Mann und eine Frau. Unzählige Geschichten sind bereits erzählt worden. Christina Ciupke und Nik Haffner aber gelingt es in „Subtitles“ die Beziehung eines Paares bis zum Ende kunstvoll in der Schwebe halten.

„subtitles“, die erste gemeinsame Produktion von Christina Ciupke und Nik Haffner, wurde bei der diesjährigen Tanzplattform in Stuttgart uraufgeführt, mit dem choreografischen Dialog wird nun die Reihe „fabrikationen 06“ in der tanzfabrik eröffnet. Das erste von Ludger Orlok verantwortete Programm will zur Reflektion über prozessorientierte Produktionsweisen im zeitgenössischen Tanz anregen. „Subtitles“, das neben Frauke Havemann auch andere Künstler dramaturgisch begleitet haben, steht exemplarisch für die Entstehung einer Choreografie.

Die Berliner Choreografin und der frühere Forsythe-Tänzer und Experte für Neue Medien untersuchen die Wechselbeziehung von Sprache und Bewegung und betreten damit ein für sie unbekanntes Feld. Ciupke und Haffner entwickeln eine Choreografie in der Sprache – zugleich ist „Subtitles“ eine subtile Studie über Intimität.

„Kannst Du Deinen Hals berühren? Kannst Du Deine Hände berühren?“ Anfangs leitet er sie an, sie führt aus. Daraus entwickelt sich ein kommunikatives Spiel. „Wir arbeiten mit einfachen Bewegungsanweisungen und versuchen, auf dieser Basis unterschiedliche Strukturen auszuloten“, erläutert Ciupke den Ausgangspunkt. „Am Ende geht es mehr um das, was wir nicht sagen.“ Die beiden Protagonisten definieren nie ihre Beziehung. Die Kommunikation stellt sich her über Leerstellen, Verschiebungen und Übersetzungen. Wiederholt flüstern die beiden sich ihre Wünsche ins Ohr, sie entziehen sich damit dem Publikum und regen gleichzeitig dessen Fantasie an. Der Zuschauer fängt bald an, dem Geschehen Untertitel zu geben. Die Geschichte von einem Mann und einer Frau – eine Liebesgeschichte? - entsteht so letztendlich im Kopf des Betrachters.

„Kannst Du mich anpusten?“ fragt er und leitet damit ein neues Spiel ein, dass die beiden weiter annähert. Sie pustet, lässt sich dann selbst fallen wie umgepustet, nicht ohne gleichzeitig anzukündigen: „Ich falle“. Bald weiß man nicht mehr, was der Auslöser, was die Reaktion ist. Was vermag Sprache zu bewegen? Was löst das sprachliche Handeln aus?

Das Sprechen ist ganz unaufgeregt und undramatisch, die Bewegung werden neutral, fast technisch ausgeführt. Obwohl die Emotionen in der Darstellung ausgeklammert werden, schwingen sie ständig mit.

Lange kann man sich diese Interaktion anschauen, ohne an männliche Dominanz und weibliche Unterordnung zu denken. Doch Kommunikation ist kein herrschaftsfreier Raum, das machen Ciupke und Haffner klar, ohne dabei ins Vordergründig-Plakativeabzugleiten. Sie loten aus, wann aus dem Anleiten ein Manipulieren, aus dem Begehren ein Kontrollieren wird. „Manchmal kommt sanfte Gewalt ins Spiel“, sagt Christina Ciupke. „Es wird deutlich, wie einer versucht, von dem anderen das zu bekommen, was er will.“

Das Verhältnis von Sprache und Bewegung erscheint hier als komplexer Übersetzungsprozess. „Wenn ich zu ihm sage: ,Kannst Du Deinen Hals berühren?', dann habe ich eine ganz klare Vorstellung von der Bewegung. Er macht es dann aber ganz anders“, erzählt die Choreografin. Das Benennen und das Ausführen von Bewegung sind zwei Paar Schuhe, nie deckungsgleich, wie auch die Wünsche der beiden Protagonisten nie kongruieren. Indem Ciupke und Haffner den Blick auf die kleinen Unterschiede lenken, machen sie deutlich: Alles ist eine Frage der Interpretation!

Gegen Ende wird sie ihn auffordern: „Kannst Du langsam die Hände unter dein Hemd verschwinden lassen? Dann berührst Du mit der linken Hand die Haut auf deiner Brust.“ Er verweigert sich, verzögert – und sie steigert sich in einen Sprechrausch hinein. Eine kaum greifbare Intimität entsteht mit der Zeit zwischen den beiden Protagonisten. Intimität meint nicht ein Verstehen ohne Worte, sie ist sprachlich konstituiert. „Manchmal ist es intimer, Dinge auszusprechen, als sie zu verschweigen“, betont Ciupke. „Sobald etwas ausgesprochen wird, ist es real.“